top of page

ANTIRASSISMUS

Vera & Marisa sind Allys!

Sei wie sie!

vera(c)DannyFrede2023_DAH_9.jpg
vera(c)DannyFrede2023_DAH_7_edited.jpg

VERA
INTERVIEW

 

Vera, könntest du uns erzählen, was du beruflich machst?
Mit Freude! Ich bin ausgebildete Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin. Dieser Beruf ist meine Leidenschaft, und ich schätze jede seiner Facetten. Im pädagogischen Bereich arbeite ich eng mit Kindern und Jugendlichen zusammen. In der Sozialarbeit widme ich mich Themen wie der Seniorenarbeit und der Erwachsenenbildung.

Deine Begeisterung ist spürbar. Es scheint, als wäre dies mehr eine Berufung für dich als nur ein Beruf.
Absolut! Bereits mit elf Jahren hatte ich eine klare Vision für meine Zukunft: Ich wollte Juristin, Journalistin oder Pädagogin werden. Meine akademische Reise begann in Kamerun, wo ich Jura studierte. Mein Plan war, dieses Studium in Deutschland fortzusetzen. Doch das Schicksal hatte andere Pläne für mich. An der FH Göppingen begann ich ein Studium der Wirtschaftsinformatik, erkannte aber schon nach einem halben Tag, dass dies nicht mein Weg war.
Ich reflektierte darüber, was mir wirklich am Herzen liegt – Menschen zu begleiten, zu unterstützen und ihnen zu helfen. Diese Erkenntnis führte mich zur Sozialarbeit und Pädagogik. 2009 gründete ich gemeinsam mit meinem Mann und sechs Freunden den Verein Sompon Socialservices BW e.V. Hier setzen wir vielfältige Projekte in der sozialen Arbeit um, die mir sehr am Herzen liegen.


Das ist eine beeindruckende Reise. Was motiviert dich täglich in deiner Arbeit?
Vera: Jeden Tag die Möglichkeit zu haben, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer Menschen zu nehmen, gibt mir unglaublich viel. Es ist die Vielfalt und die Herausforderung, die mich antreiben. Ob es darum geht, junge Menschen zu inspirieren oder älteren Menschen zu helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern – all das bereichert mein Leben ebenso, wie ich hoffe, das Leben derer zu bereichern, denen ich begegne.

Vera, könntest du uns einen Einblick in die Arbeit deines Vereins geben?
Gerne. Unser Verein konzentriert sich auf sozialpädagogische Familienhilfe. Wir unterstützen Menschen, die im Alltag auf Schwierigkeiten stoßen, wie beispielsweise Familien, die mit dem hiesigen Erziehungssystem nicht vertraut sind. In solchen Fällen arbeiten wir oft im Auftrag des Jugendamtes.

Ihr bietet auch Sozialmigrationsberatung an. Was beinhaltet das?
In der Sozialmigrationsberatung begleiten wir Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, beispielsweise bei der Jobsuche oder Wohnungssuche. Es geht darum, ihnen zu helfen, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden und zu integrieren.
Rassismuskritische Sozialarbeit ist ebenfalls ein Teil eurer Arbeit.


Was genau bedeutet das?
Wir bieten Schulungen für soziale Einrichtungen und Kommunen an, um rassistische Strukturen zu erkennen und zu bekämpfen. Unser Ansatz erweitert das Konzept der interkulturellen Öffnung hin zu einer rassismuskritischen Perspektive. Es geht darum, Rassismus zu verstehen, eigene Vorurteile zu reflektieren und diese nicht in der eigenen Arbeit zu reproduzieren.

Was ist dafür erforderlich?
Es braucht Mut, Empathie und Sensibilität. Wir müssen die Geschichte hinter Stereotypen und Vorurteilen verstehen und unsere eigenen Einstellungen kritisch hinterfragen. Unsere Schulungen bieten einen sicheren Raum für diese Selbstreflexion.

Ihr seid also nicht nur Verbündete im Kampf gegen Rassismus, sondern bildet auch Verbündete aus?
Genau. Wir setzen uns beispielsweise gegen weibliche Genitalverstümmelung ein und unterstützen Betroffene. Als qualifizierte Sozialarbeiterin und Pädagogin nutze ich meine Fähigkeiten und mein Wissen, um Hilfe zu leisten.

Wie sind HIV und Aids in eurer Arbeit präsent?
Wir betreuen geflüchtete Frauen, von denen einige HIV-positiv sind. In Zusammenarbeit mit lokalen Aidshilfen unterstützen wir sie und suchen nach Wegen, ihnen zu helfen, mit ihrer Situation umzugehen.
Wie offen sind die Themen HIV und Aids in diesem Kontext?
Es gibt immer noch viele Tabus und Schamgefühle. Wir informieren und vernetzen Betroffene, um ihnen zu zeigen, dass sie mit HIV ein normales Leben führen können.


Ihr betreut Menschen mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen. Was können diese Gruppen voneinander lernen?
Sie lernen, wie man mit Diskriminierung und Ungerechtigkeit umgeht. Empathie und Solidarität sind dabei Schlüsselwerte. Wenn man versteht, dass andere ähnliche Erfahrungen machen, kann man gemeinsam stärker gegen diese Herausforderungen vorgehen.

MARISA
INTERVIEW

 

Marisa, du bist studierte Afrikanistin und engagierst dich bei Pamoja Afrika e.V. Köln gegen Rassismus und Diskriminierung. Wie hast du zu diesen Themen gefunden?

In meiner Jugend im Ruhrgebiet hatte ich viele Freund*innen mit einer internationalen Biografie, darunter auch solche aus ganz unterschiedlichen Regionen Afrikas. Da war also schon mal grundsätzlich ein Interesse vorhanden. Ich erinnere mich, dass während der Schulzeit mal im Englischunterricht das Thema Sklaverei behandelt wurde. Das hat der Lehrer so oberflächlich geschildert, wie man das aus den Schulbüchern so kennt. Damals wurde mir klar, wie eurozentristisch dieses Bildungswesen eigentlich ist. 

 

Also eine Art Schlüsselmoment?

Ja. Man vergisst viel, aber das habe ich auf jeden Fall noch im Kopf. Weil ich ja Kontakt mit Leuten aus ganz unterschiedlichen Ländern hatte, wuchs das Interesse. 

 

Deine kulturell-diverse Umgebung war in diesem Fall also wichtig?

Die habe ich mir aber auch geschaffen und gesucht. Man kann, wenn man will, im Ruhrgebiet auch in einer weißen Umgebung aufwachsen. Nach der Schule habe ich dann überlegt, wo ich weitermachen kann. So bin ich auf die Afrikanistik gekommen. Später kamen dann noch Themen wie Kolonialismus und Postkolonialismus, aber auch Afrozentrismus und Widerstand, Critical Whiteness Studies, Rassismus und Diskriminierung dazu.

 

Wie hat dich diese Auseinandersetzung denn selbst verändert?

Das ist ein laufender Prozess, den man auch nicht immer direkt reflektiert. Eher ein Weg, auf dem man immer mehr dazulernt. Man bemerkt plötzlich Sachen, die man vorher nicht hinterfragt hat. Man entwickelt eine Haltung gegen Rassismus und man fängt an, Dinge anders zu sehen. Rassismus fließt in ganz viele Bereiche ein, ohne dass weiße Personen es häufig merken oder dem Beachtung schenken.

Kannst du ein konkretes Beispiel aus dem Alltag nennen?
Als weiße Person erfahre ich ja selbst keinen Rassismus, aber ich kann ihn trotzdem feststellen und, auch wenn es unbewusst passiert, reproduzieren. Da spreche ich mich selber nicht frei von. Aber wenn man die Augen aufhält, kann man ihn leider eigentlich überall beobachten, so auch im Gesundheitsbereich. 
Der weiße (und männliche) Körper wird in der Medizin bislang meist als Norm betrachtet. Das äußert sich unter anderem durch Vorurteile und Stigmatisierungen (z.B. das manche Krankheiten als typisch für bestimmte Personengruppen gesehen werden), durch Zugangsbarrieren, wenig Sensibilität für Traumatisierung, fehlende Diversität in der medizinischen Lehre und resultiert häufig in einer schlechteren Versorgung und Behandlung für rassismuserfahrene Personen.  


Du engagierst dich im Pamoja Afrika e.V. Köln. Was bedeutet Pamoja?
Das ist Kiswahili für "zusammen"/ "gemeinsam". Die meisten der Gründungsmitglieder kommen aus Kenia und Kiswahili ist eine wichtige Verkehrssprache in Afrika.

Was macht der Verein denn?
Er wurde 2004 als Willkommensinitiative der afrikanischen Communities gegründet. Damals wurde klar, dass die damals bestehenden Angebote häufig nicht bedarfsgerecht waren und Menschen mit einer Migrationsbiografie am besten wissen, was gebraucht wird. 2014 wurde dann ein Verein gegründet. 
In der letzten Zeit haben wir z.B. viel mit Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine gearbeitet, also mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern Afrikas, die meist in der Ukraine studiert haben und dann geflohen sind. Die haben auf dem Weg oft schlimme Rassismuserfahrungen gemacht und werden auch hier häufig rassistisch behandelt.
In der Arbeit mit den Menschen, die zu uns kommen, aber auch aus den eigenen Erfahrungen der Vereinsmitglieder und in unseren sonstigen Vereinsaktivitäten haben wir im Laufe der Zeit festgestellt, wie wichtig es ist, die Themen Rassismus und Diskriminierung zu behandeln und dagegen vorzugehen. Zum Beispiel bei der Durchführung von Veranstaltungen, in denen rassismuserfahrene Menschen Verletzungen und Retraumatisierungen durch Reproduktionen von Rassismen erfahren können. Aus diesen Worst-Practice-Beispielen ist das Pamoja Awareness-Konzept gegen Rassismus entstanden. Mittlerweile ist Pamoja Afrika e.V. Köln auch Teil des Kölner Forums gegen Rassismus und Diskriminierung, einem Gremium mit vielen Organisationen, die in unterschiedlichen Bereichen dazu tätig sind.


Was genau müssen wir uns darunter vorstellen?
Es geht darum, klarzumachen, was Rassismus ist, wie er wirkt, was für krasse Folgen er hat und wie man dagegen vorgehen kann. Das funktioniert zum einen als individueller Prozess, in dem wir Rassismus in uns selbst reflektieren und abzubauen versuchen. Dazu muss man die eigene Position, Privilegien und Machtstrukturen hinterfragen. Für weiße Menschen gibt es dann Handlungsempfehlungen. Zum Beispiel die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte oder den bewussten Verzicht auf Privilegien. Auf der anderen Seite gibt es Empfehlungen für die Menschen, die Rassismus erfahren. Da geht es um Vernetzung und Empowerment. Das alles wird noch einmal konkretisiert, wenn es um Arbeitsstrukturen geht oder etwa die Umsetzung von Projekten und Veranstaltungen.

Würdest du für deine Arbeit den Begriff Allyship verwenden?
Allyship bedeutet nicht, dass ich einfach sage: Ich bin jetzt ein Ally. Man muss erst einmal bereit sein, sich selbst zu hinterfragen. Dann müssen Handlungen folgen. Ich bestimme nicht selbst, ob ich ein Ally bin, sondern die Person, die rassistische Erfahrungen macht.
Viele Menschen sind erst einmal schockiert, wenn sie realisieren, dass auch sie rassistisch denken oder handeln. Dann wissen sie nicht, was sie tun sollen, weil sie nichts falsch machen wollen. Man muss aber ins Handeln kommen, um etwas zu ändern. Schweigen ist Zustimmung.
Weiße Menschen haben den Rassismus erschaffen und wir haben auch die Verantwortung uns um den Abbau zu kümmern. Es liegt nicht in der Verantwortung von Personen, die Rassismus erfahren, das ständig zu erklären. Sie möchten auch einen Alltag haben, in dem sie sich nicht jeden Tag damit auseinandersetzen müssen.


Was kann jede*r tun, um in die richtige Richtung zu gehen?
Wir haben einen Flyer mit dem Titel "Awareness-To-Go", in dem wir erklären, was man tun kann. Wenn man beispielsweise in der Bahn eine Situation beobachtet, in der jemand Rassismus erfährt, fragt man sich vielleicht, wie man sich am besten verhalten kann. Stelle ich mich dazwischen oder halte ich mich zurück? Man will ja nicht für andere sprechen. Am besten kann man aber auf die Person zugehen und fragen, ob sie Unterstützung braucht.

Gibt es in deinem eigenen Alltag Momente, in denen du gerne eine*n Ally hättest?
Manchmal ist man in Situationen, in denen irgendwelche Sprüche losgelassen werden, zum Beispiel beim Treffen in der Verwandtschaft. Dann bin ich vielleicht die einzige Person, die den Mund aufmacht. Da wäre es manchmal schon schön, wenn da jetzt noch jemand wäre, der erklären kann, warum das nicht ok war.
DAH_DannyFredeDAN_4397.JPG
DAH_DannyFredeDAN_4343.JPG
DAH_DannyFredeDAN_4349.JPG

WIE KANN
ICH ALLY SEIN?

Handeln, statt labeln

Allyship ist keine Identität und

keine Performance, sondern ein

Prozess, ein aktives Tun.

 

Informiere dich!

Lerne die Perspektiven von BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) kennen und versuche nachzuvollziehen, wie Rassismus auf sie wirkt. Beschäftige dich mit ihren Argumenten, lies ihre Artikel, Kommentare, Blogs und Postings. Interessiere dich dabei bewusst für verschiedene Blickwinkel. Denn Menschen machen – abhängig beispielsweise von ihrem Alter, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrem sozialen Status – sehr unterschiedliche Rassismuserfahrungen.

 

Prüfe deine Privilegien!

Privilegien sind Vorteile und Ressourcen über die du verfügst, sie aber nicht durch die eigene Leistung erlangt hast, sondern von Geburt mitbringst, z.B. wirst du als weißer Mensch in unserer Gesellschaft besser behandelt als BIPoC. Erkenne die bessere Ausgangsposition die du dadurch im Alltag hast.

 

Nutze Privilegien!

Setze deine Privilegien und die damit verbundenen Ressourcen, sei es Zeit, Geld, Macht, Fähigkeiten oder Kontakte ein, um die zu unterstützen, die diese Möglichkeiten nicht oder in geringerem Umfang haben. Dränge dich bei deinem Engagement aber nicht in den Vordergrund. Mach stattdessen BIPoC sichtbarer und hörbarer.

 

Misch dich ein!

Beobachtest du rassistische Einlass-, Personen- oder Ticketkontrollen, biete dich der Person als Zeug*in an und ermutige sie dies nicht hinzunehmen. Unterstütze sie mit Adressen und Informationen zu Beratungsstellen o.ä.

 

Greife ein!

Nimm es nicht hin, wenn Menschen in deinem Umfeld rassistische Begriffe benutzten, besonders wenn die anderen Personen dazu schweigen. Konfrontiere Menschen auch wenn sie dir eigentlich nahestehen.

 

Schau nicht weg!

Wenn Menschen in deinem Umfeld z.B. in der Bahn rassistisch attackiert werden, kannst du etwas tun. Ignoriere die angreifende Person und nimm ihr den Raum indem du dich der attackierten Person zuwendest. Setz dich zu ihr und beginne ein unverfängliches Gespräch. Halte den Augenkontakt und ignoriere die attackierende Person vollständig. So schaffst du einen Schutzraum. Bleibt so lange im Gespräch bis die Angreifer*innen abziehen.

 

Mach immer weiter!

Du wirst Fehler machen aber auch das ist o.k. Fühl dich durch Kritik nicht beleidigt oder angegriffen. Sieh es als Chance daraus zu lernen. Wichtig ist, dass du dranbleibst. Verantwortung für Rassismus zu übernehmen heißt vor allem, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Dies ist ein fortlaufender Prozess.

HOT
FACTS

Marisas Verein Pamoja Afrika e.V. Köln

https://pamojaafrika.org/

Veras Verein Sompon Socialservices

https://sompon-socialservices-bw.org/

Hier eine gute Liste mit Podcasts zum Einsteigen!

https://podstars.de/blog/podcast-empfehlungen-ueber-rassismus/

Ein spannender Artikel aus der Süddeutschen

"In Fünf Schritten zum Anti-Rassisten

https://sz-magazin.sueddeutsche.de/willkommen-bei-mir/rassismus-ally-89150

Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter,

rassistischer und antisemitischer Gewalt

https://verband-brg.de/

Positionspapier der Deutschen Aidshilfe zu Rassismus

https://www.aidshilfe.de/positionspapier_aidshilfe_gegen_rassismus.pdf

bottom of page